Bei os
dehäijm isses am schenschde
– Der Kappeler Dorfmarkt
von Fabienne
Fritz
Ich war gerade zehn Jahre alt, als der Europäische
Bauernmarkt des Landkreises das erste Mal in Kappeln ausgetragen wurde. In den
Jahren 2005 und 2006 sollte der Markt in unserem kleinen Dorf stattfinden – eine
Mammutaufgabe für unseren kleinen im Nordkreis gelegenen Ort mit gerade mal 200
Einwohnern. Wir Kinder im Dorf freuten uns damals riesig auf das zweitägige
Event.
Eine Woche vor Marktbeginn begann der Ausnahmezustand im Ort.
Damals, noch mit der Unterstützung der Kreisverwaltung, wurde das Dorf
herausgeputzt. Für uns Kinder ging es nach der Schule nicht nach Hause. Von der
Bushaltestelle aus steuerten wir erstmal zum gemeinsamen Mittagessen mit den
schon fleißigen Helfern auf den Dorfplatz zu. Die Hausaufgaben wurden schnell
zusammen erledigt – manchmal auch mit Hilfe einiger Dorfbewohner, die nach
getaner Arbeit zum Mittagessen vorbeischauten. So ließen sich unsere schulischen
Pflichten sozusagen mit Hilfe des ganzen Dorfes zügig erledigen. Wir waren
natürlich schon ganz aufgeregt und wollten auch beim „Deko-Team“, dem
„Essens-Team“ Hand anlegen, bei der Beschilderung des Ortes oder bei der
Vorbereitung der Parkflächen helfen.
Die Kinder im Ort wurden nicht dazu verdonnert zuzuschauen
und die Erwachsenen nicht zu stören – im Gegenteil – wir wurden mit Aufgaben
betraut, die wir mit selbst erledigen konnten und waren stolz, so unseren
Beitrag zum Marktaufbau leisten zu können. Ein ‚Geh mal aus dem Weg‘ oder ‚Wir
können dich hier jetzt nicht gebrauchen‘ bekamen wir nicht zu hören! Wir wurden
mit unserem Wunsch, helfen zu wollen, von den Erwachsenen ernst genommen, auch
wenn man mit zehn, elf oder zwölf Jahren vielleicht noch nicht die ganz große
Hilfe sein kann. Diese Einstellung hat dazu geführt, dass wir mit ganz viel
Eifer und Freude schon als Kinder bei der Sache waren. Im Rahmen der
Europäischen Bauernmärkte in den Jahren 2005 und 2006 hatten wir Kinder im Dorf
auch einen eigenen Marktstand, wo wir die zahlreichen Besucher mit leckeren
frischgebackenen Waffeln beköstigten.
Uns wurde so in ganz jungen Jahren schon vorgelebt, wie eine
Dorfgemeinschaft funktionieren kann. Nicht nur die Markttage selbst, sondern
gerade die Vorbereitungszeit und die Aufräumarbeiten danach boten uns viele
schöne Momente der Gemeinschaft, die auf uns Kinder großen Eindruck machten.
Der Europäische Bauernmarkt war in beiden Jahren ein voller
Erfolg. Natürlich steckt sehr viel Arbeit in so einer Veranstaltung, dennoch
reifte in der Dorfgemeinschaft irgendwann der Gedanke, einen eigenen Markt auf
die Beine zu stellen.
Einige Jahre verstrichen, bis wieder in die konkrete Planung
eingestiegen wurde. An dem ersten Septemberwochenende 2009 sollte der erste
Kappeler Dorfmarkt stattfinden. Die Veranstaltung basiert auf dem
ehrenamtlichen Engagement der Dorfbewohner und Freunde von Kappeln, sodass ziemlich
schnell klar war, dass der Markt nur an einem Tag stattfinden würde. Die
Erfahrung aus den Märkten von 2005 und 2006 erwies sich jetzt als sehr
wertvoll. Das Grundgerüst der Organisation war allen bekannt. Man wollte das
Dorf Kappeln individueller präsentieren, an der einen oder anderen Stelle aus
den Erfahrungen der vergangenen Jahre lernen und Verbesserungen vornehmen. Die
Idee, eine Oldtimer-Ausstellung an den Markt zu koppeln, wurde erstmals
umgesetzt und fand großen Zuspruch. Mit viel Liebe zum Detail richtete sich das
ganze Dorf wieder her. Einige der Aussteller, die auch bei den Europäischen
Bauernmärkten vertreten waren, wollten wieder gerne bei uns ausstellen, sodass
wir ein beachtliches Spektrum an regionalen Produkten, musikalischen Beiträgen
und kulinarischen Angeboten vorweisen konnten. Dennoch war die Anspannung
zunächst groß, denn noch war nicht klar, wie der Markt bei den Besuchern
ankommen würde. Auch bereitete uns das Wetter Sorgen. Ein verregneter Markttag
würde doch den Veranstaltungsablauf enorm trüben. Unsere Sorgen bewahrheiteten
sich zum Glück nicht. Das Wetter hielt und zahlreiche Besucher fanden wieder
den Weg in unser Dorf. Der erste Kappeler Dorfmarkt erwies sich als ein voller
Erfolg. Viele Besucher hatten nur lobende Worte für uns. Nachdem auch die
letzten Besucher und Standbetreiber gegangen waren, fiel die ganze Anspannung
merklich ab. Die Helfer sammelten sich nach und nach in der Dorfmitte und
genossen den Abend bei ausgelassener Stimmung am Wein- oder Bierstand.
Mittlerweile waren wir keine Kinder mehr, sondern Teenager und man könnte
vielleicht meinen, in diesem Alter würden unsere Interessen ganz woanders
liegen. Aber das Gegenteil war der Fall – wir erinnerten uns, wie viel Spaß wir
bei den Europäischen Bauernmärkten hatten und waren auch bei dem ersten
Kappeler Dorfmarkt wieder mit viel Freude bei der Sache.
Nachdem wir für den ersten Kappeler Dorfmarkt reichlich
positive Resonanz erhielten, wurde darüber nachgedacht, wann der nächste
stattfinden könnte. Denn dass es ein nächstes Mal geben sollte, war allen klar.
Klar war aber auch, dass der hohe Arbeitsaufwand nicht jedes Jahr gestemmt
werden konnte. Die Dorfbewohner sollten auch nicht die Lust verlieren durch
jährlich wiederkehrende zusätzliche Arbeit. So wurde beschlossen, dass der
Markt nur in einem Rhythmus von drei Jahren veranstaltet werden sollte. Außerdem
sollte auch der Markt in den Jahren, in denen der Europäische Bauernmarkt des
Landkreises Kusel in der Nähe stattfinden würde, ausgesetzt werden.
Die nächsten Kappeler Dorfmärkte fanden so in den Jahren 2012
und 2015 statt. Es wurden neue Ideen umgesetzt und bisher Bewährtes weiter
optimiert. Die Besucher wurden noch zahlreicher, denn es hatte sich
herumgesprochen, dass der Markt einiges zu bieten hat. Es stellte sich nun auch
heraus, dass es gut war, den Markt nicht jährlich stattfinden zu lassen. Denn
so überwog die Vorfreude der Dorfbewohner gegenüber dem Wissen um die viele
Arbeit, die jeder Markt mit sich brachte.
Der vierte Kappeler Dorfmärkte hätte turnusgemäß nun 2018
stattfinden müssen. Allerdings sollte in diesem Jahr auch endlich die
Ortsdurchfahrt teilweise saniert werden, sodass man sich dafür entschied, den
Markt um ein Jahr zu verschieben. Von Vorteil war auch, dass man so 2019 die
anstehende 700-Jahrfeier der Ortsgemeinde Kappeln mit dem Markt verbinden
konnte. 2019 war in dieser Hinsicht ein besonderes Marktjahr. Eine historische
Bilderausstellung sowie eine Sonderausstellung in der Kirche von Kappeln mit
einem extra erstellten Filmbeitrag mit gesprochener Kappeler Historie ergänzten
das Marktgeschehen. Mittlerweile waren wir „Kinder von damals“ erwachsen und
immer noch gerne ein Teil der Gemeinschaft. So wie wir als Kinder damals schon
mit einbezogen wurden, so wurden auch die nachrückenden Generationen immer
wieder integriert. Denn die Kinder von heute sind diejenigen, die darüber
mitentscheiden, ob es den Markt auch in Zukunft geben wird.
Der fünfte Dorfmarkt sollte nun planmäßig erst 2023
stattfinden, da die wenige Kilometer entfernte Gemeinde St. Julian 2022
Ausrichter des Europäischen Bauernmarktes hätte sein sollen, wäre Corona nicht
gewesen. Aufgrund einiger durch Corona verursachter Unklarheiten begannen wir 2023
erst relativ spät mit den Planungen für den fünften Kappeler Dorfmarkt. Im
Januar stimmten die Einwohner von Kappeln mehrheitlich für die Ausrichtung des
Marktes. Insbesondere die immer wachsenden Anforderungen an die Sicherheitsauflagen
machen die ehrenamtliche Organisation einer Veranstaltung dieser Größenordnung
immer schwieriger. Dennoch wurde in 14 Arbeitskreisen umgehend begonnen, die
nötigen Vorbereitungen zu treffen. Nach fast zweijähriger Abstinenz vom
Dorfleben waren alle mit besonders viel Elan dabei.
Am Sonntag, dem 3. September, konnten wir bei schönem Wetter
so auch 2023 wieder einen tollen Markttag erleben. Die Besucher zeigten sich
begeistert von den fast 130 Marktpunkten. Von der Oldtimer-Ausstellung, der
Tierausstellung, den zahlreichen kulinarischen Köstlichkeiten, der angebotenen
Handwerkskunst bis hin zu den musikalischen Beiträgen auf vier Bühnen und den
Vorführungen unterschiedlicher Rettungsorganisationen war wieder viel geboten.
Ich bin mir sicher, dass das intakte Dorfleben und das
Gemeinschaftsgefühl in Kappeln auch in Zukunft in der Art und Weise, wie wir es
als Kinder schon erleben durften, erhalten bleibt und wir in drei Jahren wieder
gemeinsam einen schönen sechsten Kappeler Dorfmarkt erleben können.