700 Jahre Kappeln

Bemerkungen zur Geschichte eines kleinen Dorfes im Pfälzer Westrich.

Verlässt man das Glantal, von Lauterecken herkommend, auf der Bundesstraße 270 in Richtung Kirn und Idar-Oberstein, und biegt bei Grumbach ab, dann gelangt man auf gewundener Straße schon bald ins Tal des Perlebachs, dort, wo dieser in den größeren Jeckenbach einmündet. Malerisch und verträumt liegt hier das Dörfchen Kappeln inmitten des Nordpfälzer Berglandes. Wolfgang Werner, Wahl-Kappeler, beschrieb das im Jahr 2000 folgendermaßen: „Man fährt den Berg steil hinan und kommt über die Höhe, vorbei am Sonnhof und dem 375 m hohen, bewaldeten Taubhaus. Oben auf der Höhe hat man einen wunderschönen weiten Blick über die sanften Hügel mit ihren Feldern, den Streuobstwiesen und Wäldern. Besonders im Frühjahr, wenn die Rapsfelder knallgelb sind, die Wiesen in saftigem Grün stehen, die Obstbäume weiß und rosa blühen, ist dies ein unvergesslicher Anblick. … Von hier oben schlängelt sich die Straße dann kurvenreich wieder hinab durch den Sandwald ins Tal. Alte Linden, die zu beiden Seiten die Straße einfassen, bilden mit ihren Ästen einen grünen Baldachin, und die Luft ist im Mai … erfüllt vom süßen Duft der Blüten.“

Hier liegt nun im Tal das Dorf Kappeln in rund 230 Metern Höhe über dem Meeresspiegel, eingerahmt von Hügeln, die sich auf rund 350 Meter erheben. Da ist einmal im Süden des Dorfes der 334 m hohe Mühlen-Berg, Teil einer Hügelkette, über die, am Windhof vorbei, die alte Römerstraße in Richtung Breitenheim weiterführt. Im Nordwesten des Dorfes liegt der Frohneberg mit seinen mächtigen, altehrwürdigen Huteeichen, Naturdenkmalen, die noch an jene Zeiten erinnern, als die Kappeler ihre Viehherde gemeinsam hinaus auf die Allmendweide trieben, wo im hohen Sommer Tiere und Hirten im Schatten der mächtigen Eichen zur Mittagszeit rasten konnten. Im Nordosten des Dorfes, nach Löllbach zu, liegt der 296 m hohe Riedenberg. Und nördlich vom Perlebach, in Richtung Hoppstädten, erheben sich schließlich die bewaldeten Bergkuppen des Perlekopfs (377 m), des Heerwaldes und der Ruthen (371 m), sowie der Striedt (351 m). Letzteres ist ein Flurname, mit dem man im Mittelalter feuchten, verbuschten Niederwald bezeichnete.

Rund 215 Einwohner zählt heute die kleine Gemeinde im nordöstlichen Zipfel des Landkreises Kusel, in der Verbandsgemeinde Lauterecken-Wolfstein, bei einer Gemarkungsfläche von 767 Hektar, von denen etwa 257 ha Wald sind. Schworm beschreibt 2010 in den „Westricher Heimatblättern“ die Ortslage Kappelns wie folgt: „Es handelt sich um ein zusammengedrängtes Haufendorf mit alter Bausubstanz, das sich im erweiterten Talgrund der beiden Bäche ausbreitet und seitlich zu den Berghängen hin ansteigt. Die Kirche steht in der Mitte des Dorfes und der Friedhof liegt im Westen … rechts des Perlebachs. Etwa 500 m bachabwärts vom Ortsende aus und seitlich der Straße nach Löllbach stand die Kappeler Mühle – dort, wo nach 1959 der Aussiedlerhof von Familie Litzenberger errichtet und „Udenhof“ benannt wurde. Im Nordosten auf einer Anhöhe liegt der Sportplatz … Insgesamt ist nur geringe Neubautätigkeit festzustellen. Die ehemalige Schule dient heute als Dorfgemeinschaftshaus“.

Ausführlich geht auch Schüler-Beigang in der Denkmaltopographie des Kreises Kusel von 1999 auf die Ortssituation ein: „Das aus zwei Siedlungskernen und ihren Erweiterungen zusammengewachsene Dorf liegt an der Einmündung des Perlebachtals in das des Jeckenbachs. Den von Westen herziehenden Jeckenbach flankiert im Süden ein langgestreckter Höhenzug über den ein alter Höhenweg von Meisenheim über Burg Lichtenberg ins Ostertal zieht. Die Nordflanke des Tals bilden der Frohneberg rechts des Perlebachs und der Ehleberg zu seiner Linken. … Der ins Tal des Perlebachs hineingebaute Ort ist ein langgestrecktes Haufendorf mit einer Erweiterung des 19. Jahrhunderts jenseits des Jeckenbachs. Ältester Teil des Dorfes dürfte die Umgebung der Kirche sein, die auf einen ins Jeckenbachtal vorstoßenden Ausläufer des Frohnebergs gestellt ist. Der heutige Siedlungsschwerpunkt ist das sogenannte Oberdorf, an das bereits im 18. Jahrhundert das Unterdorf zur  Kirche hin anschloss. Wohl erst im 19. Jahrhundert entstanden die Höfe an der Straße nach Merzweiler und an der Straße nach Grumbach (Damm). Ende des 18. Jahrhunderts erlebte der Ort eine wirtschaftliche Blüte, von dem eine Reihe stattlicher Höfe und vor allem der aufwendige Neubau des Kirchenschiffes Zeugnis ablegen“.

Der Name des Frohneberges erinnert übrigens an altes Herrenland, das von den leibeigenen Bauern in „Fron“ zu bewirtschaften war; denn „Fron“ bezeichnet im althochdeutschen den Herrn, wie wir noch heute im Namen des Festes Fronleichnam erkennen können. An altes Herrenland erinnert auch der Straßenname Im Brühl im Jeckenbachtal. Hier lag herrschaftliches Wiesenland, oft die besten Wiesen im Ort, deren Bewirtschaftung die leibeigenen Bauern übernehmen mussten und dessen Erträge der Herrschaft zustanden. Meist mussten die Bauern hier das Heu machen und in die herrschaftlichen Scheunen schaffen. Die Einheimischen unterscheiden in dem verwinkelten Dorf ohne eigentlichen zentralen Ortsmittelpunkt zwischen den Ortsteilen Oberdorf, Mitteldorf, Unterdorf, Damm, Gass und Frohneberg.

Wichtige Zeugnisse der Dorfgeschichte sind stets auch die Flurnamen, jene uralten Bezeichnungen für die Wiesen, Wälder und Äcker einer Gemarkung. Früher kannte jedes Kappeler Kind diese Namen, heute sind viele von ihnen in Vergessenheit geraten. Es sind dies in alphabetischer Reihenfolge etwa: Auf Bauler, auf Branntwein, Breitwies, im Brühl, auf Elbert, aufm Frohneberg, auf der Grube, Grünbruch, auf Hahndorn, im Hasengeschirr, Herzedell, auf Hetsche, Hirtenwies, Höhwald, die Hoppstadt, auf Kerr, auf Klopp, Kreuzweide, Löhrheck, in der Löllbach, Löllbacherrech, Löllbachweg, Lötzelwies, Maiwies, auf Minsell, Mühlacker, Mühlenberg, hinter Pfuhl, im Prenkel, in Perle, aufm Riederberg, auf der Rotsche, die Ruthen, auf der Sandheck, Sauwasem, Schäfersgarten, auf der Schieß, Schmelzhof, im Singen, Sonnwiese, Spieß und Wehracker. Im Zuge des klassischen  Flurbereinigungsverfahrens von  1959-62 entstanden völlig neue Feldwege, viele Gehölze und Streuobstwiesen wurden gerodet, die Gemarkung veränderte ihr Gesicht. Auch etliche Flurnamen verschwanden damals aus dem Kataster.

Nachbarorte von Kappeln sind im Westen Merzweiler, im Nordwesten Hoppstädten, im Norden Schweinschied und Löllbach, im Osten und Süden Medard, Lauterecken und Grumbach, der alte Verwaltungssitz.

Eine reiche Geschichte kann das kleine Dorf Kappeln im Perlebachtal jedenfalls aufweisen. Schworm erwähnt die römische Vergangenheit des Ortes. „Wir nehmen mit Sicherheit an, dass die Umgebung schon in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt war. Wahrscheinlich bestand zur Römerzeit in der Ortslage eine Villa rustica. Erhalten aus gallo-römischer Zeit blieb ein steinernes Relief, das in die Pfarrhausmauer eingesetzt wurde. Die Darstellung zeigt eine kniende Männergestalt mit Schlangenbeinen, erhobenem rechtem und abgewinkeltem linkem Arm. Auf der linken Schulter und auf dem ausgestreckten linken Arm trägt die Gestalt einen Stein mit der verstümmelten Inschrift ‚Felic…‘“. Der Archäologe Steven Ditsch erkennt das Relief als Teil eines römischen Grabmales und zwar als die Darstellung eines Tritons, eines Meergottes also, zumal die stark verwitterte Gestalt in der ausgestreckten rechten Hand eine Muschel trägt.

Aus der Römerzeit stammt auch ein früheres Hügelgrab unterhalb des Perlekopfes, das bereits um 1860 geöffnet worden war und eine Steinkiste sowie eine große Urne enthielt. Beide sind heute verschollen. Dieses Brandgrab auf der Kappeler Gemarkung macht die Existenz einer Villa rustica – eines landwirtschaftlichen Gutes also - in der Umgebung sehr wahrscheinlich.

Die Alten erzählten auch, dass es im Wald „auf Klopp“ einmal eine Siedlung gegeben habe und dass dort noch Mauerreste im Boden zu finden seien. Eventuell aus der Keltenzeit stammen drei Hügelgräber im Wald „auf Striedt“ unmittelbar jenseits der Gemarkungsgrenze von Schweinschied (Werner). Und das große Römerdenkmal von Schweinschied ist ja weit über die Region hinaus bekannt.

Auch der frühere Regionalhistoriker des Amtes Grumbach, Pfarrer Otto Karsch, dem wir viele Informationen über die Geschichte des Grumbacher Landes verdanken, vermerkt 1959 in seiner „Geschichte des Amtes Grumbach“:„In Kappeln war einmal mehr, als man auf Grund der Urkunden nachweisen kann. Vielleicht könnten Grabungen irgendwelche Mauerreste und Fundamente zutage fördern, die uns sagen, dass hier in frühester Zeit einmal ein Heiligtum gewesen ist. Welcher Art dieses Heiligtum war, wo es gestanden hat, welche Gottheit hier verehrt wurde, wird für alle Zeiten ein Geheimnis bleiben“ (Karsch, S. 46).

Zuo der Cappeln“ – bei der Kapelle – haben einst die Menschen, die sich dort ansiedelten, diesen Ort genannt. Ein, wenn auch kleines  Gotteshaus war also bereits in der Frühzeit des Ortes, zur Zeit der Namengebung, hier vorhanden.

1319 wird unser Dorf in einer wildgräflichen Urkunde erstmals als „Cappellen“ genannt. Es geht in der Original-Urkunde, die der Historiker Thomas Hein aus Grumbach im Fürstlich Salm’schen Archiv in Anholt in Westfalen „wiederentdeckte“ und auswertete, um Streitigkeiten zwischen den wildgräflichen Linien zu Kyrburg und Dhaun und es werden neben „Cappellen“ auch die Nachbarorte Löllbach, Schweinschied, Herren-Sulzbach, Langweiler, Kirrweiler, Homberg und die beiden Jeckenbach – Ober und Unterjeckenbach – erwähnt.

In allen späteren Urkunden des 15. und 16. Jahrhunderts ist meist nur von „Udenkappeln“ die Rede. Der Zusatz geht wohl auf den altdeutschen, nicht gerade häufigen, Vornamen Udo zurück – vielleicht war es der Gründer des Gotteshauses, ein reich begüterter regionaler Niederadliger, der hier eine kleine Eigenkirche errichtete. Die volkstümliche Überlieferung, dass der Name auf den bayrischen Lokalheiligen Utto, bzw. Udo zurückgehen soll, kann man allerdings getrost ins Reich der Fabel verweisen: „Man erzählt, dass der Mönch Utho, der um 800 das mittelbayrische Kloster Metten gründete, auch hier eine Kapelle oder sogar ein Kloster erbaut habe, von dem noch Überreste vorhanden seien. .Der Beiname Uden- tritt aber erst seit 1400 in Erscheinung und um diese Zeit ist wohl die Kappeler Kirche erbaut worden. Man kann vielleicht annehmen, dass die Erbauer der Kirche irgendeine Beziehung zu dem Kloster Metten hatten und dieser Beziehung Ausdruck gaben, indem sie dem Dorf den Namen des Klostergründers als Beinamen gaben“ (Karsch, S. 46).

Namensbelege sind, nach Dolch (Historisches Siedlungsnamenbuch der Pfalz), etwa: 1417 (Or.) Udin Cappellen (HSA ., Rhpf. Urk- 3287); 1457  (Or.) Vdencappeln by Grunbach (HSA ., Rhpf. Urk. 5288); 1500 (Or.) zu Vden cappellen (HSA ., Rh.pf. Urk. 2288), 1562 (Or.) Vden cappell, Cappell (LHA K 36/ 2392). In der Ortsmundart spricht man nur von “Kabbele” und die Einwohner sind „die Kabbeler“. Im Namen des “Udenhofes” unterhalb von Kappeln in Richtung Löllbach hat man den alten Namenszusatz des Dorfes bewahrt. Aber noch um 1900 war der alte Ortsname inoffiziell im Gebrauch. So wirbt eine Postkarte aus dieser Zeit mit einer Totalansicht des Dorfes, eingerahmt von schwarz-weiß-roten Girlanden in den preußischen Landesfarben und dem „Gruß aus Uden-Kappeln (Bz. Trier)“.

Das Dorf Kappeln gehörte nach der Vertreibung der Römer seit jeher zum fränkischen Nahegau und hier zum wildgräflichen Amt Grumbach im Hochgerichtsbezirk auf der Heide bei Sien. Die Rüge- oder niedere Gerichtsbarkeit im Dorf selbst stand den Wildgrafen zu, die  an einem bestimmten Tag des Jahres, zwischen Remigiustag, dem 1. Oktober, und Martini, dem 11. November, im Dorf ihren Gerichtstag abhielten, zu dem jeder „Gemeindsmann“ zu erscheinen hatte.

Die Herrschaftsverhältnisse in Kappeln waren recht kompliziert und schwer zu durchschauen.

1353 schlichteten die Grafen von Sponheim und Veldenz einen Streit zwischen den Wildgrafen einerseits und deren Lehnsleuten, den Adeligen Boos von Waldeck und Greifenclau zu Vollrads andererseits. Es ging um Rechte im Gericht Kappeln und dabei werden auch die Schöffen dieses Gerichts genannt: „Heintze Bode, Berthram Stormes Son, Nyclas der Weber, Heintze der guode Man, Hennekin Schefers Son, Heintze Swinde und Johan Bastruoz und darzuo die Gemeinde alle gemeinlichen des Dorfes zuo Cappeln bi Gruombach gelegen“ (Werner, S. 58). Wir haben damit die ersten namentlich bekannten Einwohner unseres Dorfes Kappeln vor uns. Auch weisen die Schöffen die recht altertümlichen Sitten bei diesem Gerichtstag: „Das Recht, das hernach geschrieben stehet, ist des Wildgrafen zu Dhaun in dem Dorf Kaplen. Zum ersten sprechen wir, das er alle Jar zwischen Sankt Remigius Tag und Sankt Martins Tag einen Tag machen mag; und was wir ihm auf denselben Tag rügen, das soll er Richter seyn, Dags und Nachts. Und uf denselben Tag soll man im einen Stock schlagen in die Erd, das er sein Pferd dran binde und ein Bund Stroh das das Pferd esse und ein Sessel das er darauf sitze und einen Tisch dar stellen und einen weißen Becher daruf und dazu also viel Salz, das man zwei Eier damit salzen möge“ (Albert Zink. C. F. Schotts ‚Nahegau‘. Eine wertvolle heimatgeschichtliche Quelle, in: Nationalblatt Juni/Juli 1939).

In die Grundherrschaft von Udenkappeln teilten sich im 15. Jahrhundert die Wildgrafen, die die Hälfte besaßen und diese Hälfte an die Herren von Lewenstein als Lehen vergeben hatten, dann die Grafschaft Sponheim, die ein Viertel Anteil innehatte und diesen an die Herren von Greifenclau zu Vollrads als Lehen gegeben hatte und schließlich die Grafschaft Veldenz, ebenfalls mit 1 Viertel Anteil, der an die Boos von Waldeck verliehen war. Die Herren von Lewenstein, die sich nach der Niederburg Lewenstein bei Niedermoschel benannten, wo sie ihren Stammsitz hatten, starben 1668 im Mannesstamm aus. Sie hatten 1589 zu ihrer Hälfte noch den Viertelanteil der Greifenclau erworben und verkauften diese drei Viertelanteile schon 7 Jahre später, 1596, an den Wild- und Rheingrafen Leopold Philipp Wilhelm von Grumbach. So sahen sich die Grumbacher Grafen seit dem späten 16. Jahrhundert als die eigentlichen Herren von Kappeln. 1708 hoben sie in ihrer Grundherrschaft die Leibeigenschaft der Bauern auf, Frohndienste wurden abgeschafft – ein großer Fortschritt für die Kappeler Bauern. Dieser Freiheitsbrief wurde 1729 und 1763 von den nachfolgenden Wildgrafen bestätigt. Die „Boos’schen Unterthanen zu Uden Cappeln“ forderten daraufhin ebenfalls größere Freiheiten, jedoch zunächst ohne Erfolg. Beim Verkauf von 1596 hatten es die Lewensteiner als Verkäufer aber unterlassen, ihre Lehensherrschaften Kyrburg und Sponheim zu unterrichten. Als diese davon erfuhren, gab es heftige Streitigkeiten und Prozesse, die erst 1684 beendet wurden. Leidtragende waren wie immer die leibeigenen Bauern des Dorfes.

Doch damit nicht genug: Streitigkeiten gab es zudem auch mit den Herren Boos von Waldeck, die ihr Viertel an der Ortsherrschaft ja nicht veräußert hatten. Die Boos von Waldeck waren ein mächtiges und streitbares Niederadelsgeschlecht im Hunsrück und an der Nahe und hatten in der Region reichen Streubesitz. Sie saßen auch auf Burg Montfort und hatten einen stattlichen Herrenhof in Meisenheim, der heute noch existiert. Sie waren Lehnsleute und Amtmänner in Dienste der Kurpfalz, von Kurtrier und Pfalz-Zweibrücken. Im Wappen führten sie auf rotem Grund drei schräggestellte rautenförmige silberne Sporenschnallen. Die Wild- und Rheingrafen sahen sich seit 1596 als die eigentlichen Herren des Dorfes Kappeln, trotz eines Vertrages von 1618, in dem den Boos von Waldeck ein Viertel der Einnahmen von Huldigung, Gebot und Verbot, Besthäuptern, Nachsteuer, Zehnten, Ungeld usw. zugestanden worden war. Die Boos von Waldeck beschwerten sich bei ihrem Lehnsherrn, dem Herzog von Pfalz-Zweibrücken, und es kam, wie es kommen musste: auch in dieser Angelegenheit kam es zu einem erbitterten Streit, der kein Ende nehmen wollte und der zu einem nicht geringen Teil auf den Schultern der Untertanen ausgetragen wurde. Ja sogar das kirchliche Leben wurde dadurch stark beeinträchtigt. Noch bis zum Jahr 1789 wurde über die Boosischen Ansprüche in Kappeln gestritten und verhandelt. Dann traten diese ihre Rechte an die Wild- und Rheingrafen ab.

Als wenige Jahre später, im Frühjahr 1793, die französischen Revolutionstruppen ins Grumbacher Land einmarschierten, mussten der Wild- und Rheingraf im Grumbacher Schloss und seine Familie bei Nacht und Nebel aus ihrer Residenz fliehen. Sie  kehrten nie mehr zurück. Von den neuen Herren wurden die alten Adelsanrechte und Privilegien abgeschafft. Der ewige Zank und Streit um Kappeln fand ein abruptes Ende und sicher wurde dies von den Einwohnern des Ortes, die immer zwischen allen Stühlen saßen, freudig begrüßt.

Die alte Kappeler Kirche war, so Karsch, im Jahre 1493 in aller Munde. Schon seit Jahrzehnten erzählten sich die leibeigenen Bauern des Dorfes von seltsamen Dingen, von verborgenen Schätzen in dieser Kirche. In diesem Jahre nun wurde bei Bauarbeiten in der Kirche ein beträchtlicher Schatz von purem Golde gefunden und dem Rheingrafen Johann zu Dhaun als Landesherr übergeben. Es war dies wohl Johann VI., Wild und Rheingraf zu Dhaun und Kyrburg, Graf zu Salm, (+ 1499), der letzte Wild- und Rheingraf, der noch über das riesige Territorium auf dem Hunsrück herrschte. Unter seinen Söhnen wurde die Herrschaft dann aufgeteilt und es entstanden zwei unabhängige Linien: die Kyrburger und die Dhauner Wild- und Rheingrafen. Die Kyrburg bei Kirn und die Burg Dhaun überm Kellenbachtal waren ihre Residenzen. Von den Kyrburgern spaltete sich 1574 mit Johann Christoph (1555 – 85) die Linie Grumbach ab, die zu Ortsherren in Kappeln und im gesamten Amt Grumbach wurden. Der Landesherr, Wildgraf Johann, war jedenfalls über das unerwartete Schatzglück von 1493 so erfreut, so berichtet Karsch, dass er versprach, als Dank der Kapelle jedes Jahr einen Goldgulden zu schenken. Dafür sollten auf Sankt Johannes des Täufers Geburtstag und auf Sankt Michaelstag in dieser Kirche von vier Priestern Messen und Vigilien gelesen werden. Wenn von dem Goldgulden dann noch etwas übrig bliebe, sollte der Rest zu Bau und Nutzen der Kirche verwandt werden.

Nachdem die Wild- und Rheingrafen sich der Reformation Luthers angeschlossen hatten, wurde Kappeln ab 1556 mit Löllbach und Schweinschied zu einer eigenständigen kleinen Pfarrei zusammengelegt. Fast 400 Jahre diente die Kirche dann als Anbetungsstätte für die Gläubigen. Um die Kirche herum lag damals auch der Friedhof für die Dörfer. Dann wurde das Kirchenschiff baufällig und musste abgerissen werden. 1789-90 wurde unter der Bauleitung des Kirner Baumeisters Fickeis und unter Erhaltung des massiven mittelalterlichen Turmes die heutige Kirche erbaut und zwar aus Mitteln des Zehnten und der Pflichtanteile der Wild- und Rheingrafen von Grumbach und der Herren Boos von Waldeck, die beide anteilig Patronatsherren der Kappeler Kirche waren. Es war dies eine der letzten Baumaßnahmen der alten Ortsherrschaft vor dem Zusammenbruch der alten Gesellschaftsordnung im Gefolge der Französischen Revolution, welche die alten, morschen Staatsstrukturen hinwegfegte. Es wird auch erzählt, dass „in der Franzosenzeit“ der berüchtigte Räuberhauptmann Schinderhannes, Johannes Bückler, in dieser Kirche konfirmiert worden sein soll.

„Die auf einem künstlich erweiterten Felsbuckel über dem Zusammenfluss von Perle- und Jeckenbach errichtete Kirche besteht aus romanischem Westturm und einem barocken Saalbau mit Dreiseitschluss. 1862 hat man den Turm im Zusammenhang mit dem Umguss der Glocken um ein zweites Glockengeschoss erhöht. Der Baukörper ist mit einem verschieferten Halbwalmdach gedeckt. Im flach gedeckten Innenraum hat sich von der barocken Ausstattung die Westempore erhalten“ (Schüler-Beigang). Die Orgel stammt vom Ende des 19. Jahrhunderts, genauer aus dem Jahr 1880, und wurde von der Firma Oberlinger hergestellt. Das aufwendig gestaltete Gotteshaus in der Ortsmitte hat sich bis heute seinen originalen, im romanischen Stil errichteten Glockenturm erhalten können, der nach dendrochronologischen Untersuchungen bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts zurückreicht.

Die Kirche erhielt nun 1862 auch ein neues Geläut aus der Glockengießerwerkstatt von Georg Hamm, Frankenthal. Bis dahin waren noch drei alte Glocken aus dem Jahr 1629 auf dem Turm vorhanden, gegossen von Elias Sermosius (Sermoise), einem aus Lothringen stammenden wandernden Glockengießer. Die Inschrift der großen Glocke lautete: „Uden Cappeln mich myst machen, dessen haet sie recht Ursachen, da der funft Tag Octobris war, im Tausend sechshundersten Jahr, dar zu liese zwanzig und neun. Gott der Herr bewahr uns allein“ (Werner, S. S. 114).

Der fromme Wunsch der alten großen Kappeler Glocke von 1629 sollte nicht in Erfüllung gehen. Das Dorf Kappeln hatte zu Beginn des 30jährigen Krieges rund 200 Einwohner – etwa so viele wie heute – und es erstreckte sich von der Kirche bis hin zur alten Kappeler Mühle. Die Kriegsereignisse besonders um das Schreckensjahr 1635 endeten auch für Kappeln und seine Bewohner in einer Katastrophe. Nur vier Einwohner sollen der Volksüberlieferung nach das große Morden in Kappeln überlebt haben: Sie hätten die Familiennamen Studt, Schneider, Kreischer und Heinz getragen, alle übrigen seien durch die Kriegsereignisse und Seuchen wie die Pest dahingerafft worden und verdarben. Die Häuser waren fast alle zerstört und verfallen, die Äcker und Wiesen von Unkraut und Gesträuch überwuchert. Hungrige Wölfe zogen am hellichten Tag durch die verödeten Dörfer und nur die Kirche und das alte Hirtenhaus sollen von Udenkappeln übriggeblieben sein. Als die Kriegsunruhen 1648 beendet waren, siedelten sich hier allmählich auch fremde Menschen an, ein Haus nach dem andern entstand neu, jedoch nicht genau da, wo das alte Kappeln einst gestanden hatte. Aber doch ganz in der Nähe, mehr in Richtung auf das Nachbardorf Hoppstädten zu.

 

Wenn heute so viel von witterungsbedingten Katastrophen die Rede ist, dann zeigt uns die Chronik, dass dies auch in früheren Jahrhunderten schon vorkam. Die Dorfchronik berichtet, dass im Jahr 1749 ein so schweres Unwetter über Kappeln niederging, dass nicht nur die ganze Ernte zerstört wurde, sondern auch das Dorf selbst fast einen Meter hoch unter Wasser stand und die Menschen sich selbst nur mit Mühe und Not retten konnten. Sehr viel Vieh soll damals in den Fluten umgekommen sein – eine Katastrophe für die Bauern.

Am 4. Oktober 1875 wurde das Dorf wiederum überschwemmt. Wieder drang das Wasser in die Häuser ein und richtete große Schäden an. Drei junge Mädchen konnten nur mit Mühe vor dem Tode des Ertrinkens gerettet werden.

An einem kalten Wintertage des Jahres 1879 brach in der Kirche Feuer aus, das aber bald gelöscht werden konnte.

Wenige Monate später, am 5 September 1880 läuteten erneut  die Sturmglocken. Zwei Wohnhäuser und 3 Scheunen standen in Flammen. Am darauffolgenden Tage brannte ein weiteres Wohnhaus und mehrere Scheunen und Ställe ab. Alle die entstandenen Schäden wurden aber durch den Fleiß der Dorfbewohner und gegenseitige Nachbarschaftshilfe bald behoben.

Schon seit frühesten Zeiten hatte Kappeln auch eine eigene Dorfmühle. Abraham Schuck war 1591 der Besitzer der Kappeler Mühle. Er verkaufte sie in diesem Jahr mit allem Zubehör an einen Hans Knapp für 358 Gulden. In dem Kaufvertrag sind die Äcker und Wiesen aufgeführt, die zur Mühle gehörten, dazu auch das „Mühlengeschirr“ und das sonstige Inventar: „In der Stube drei Fenster, eine Scheibe zerbrochen, ein eiserner Ofen mit eingelegten Kacheln, … ein Langeisen, eine Form, eine Pfanne …. In 23 Abschnitten sind alle Dinge aufgezählt, die zur Mühle gehörten und mit verkauft wurden. Bei den Kriegsunruhen in Jahre 1794, als französische Revolutionstruppen auch das Land an Glan und Nahe heimsuchten, wurde auch Kappeln gebrandschatzt und die Einwohner drangsaliert. Dabei wurde auch die Mühle ausgeplündert und der Müller stark  heimgesucht. 1859 brannte die Mühle ab. Bald darauf wurde eine neue gebaut“, die in den 1950er Jahren, zu Zeiten Pfarrer Karschs, noch als Wohnung diente (Karsch, a.a.O., S. 47). Der letzte Müller hieß Daniel Braun und betrieb das Gewerbe noch bis vor dem Zweiten Weltkrieg. Die alte Mühle wurde später im Rahmen der Flurbereinigung abgerissen (Werner).

Schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts hatte man in Kappeln eine eigene Schule errichtet, getreu der Losung der Reformation, den Kindern das Lesen und Schreiben beizubringen. 1669 unterrichtete hier ein Lehrer namens Molter in dem vom Krieg verschont gebliebenen Hirtenhaus die Kinder des Dorfes – in erster Linie die Buben -  mehr schlecht als recht. Dann wurde der Unterricht in das neue Gemeindehaus verlegt und im Jahre 1883 endlich schräg gegenüber der Kirche das noch bis in die 1960er Jahre genutzte Schulhaus erbaut. Das frühere Schulhaus in der Friedhofstraße 1 fällt auf durch sein mit Weinranken und Blattgirlanden reich verziertes Portal und das mit einer Frauenbüste geschmückte Giebelfenster. Fast 90 Jahre nach ihrer Erbauung, wurde die Kappeler Schule geschlossen und die Kinder nach Grumbach und Hoppstädten zur Schule geschickt. Die alte Schule wird heute als Dorfgemeinschaftshaus genutzt.

Mit dem Sturz der alten Herrschaft wurden die Kappeler Untertanen 1798 zu Bürgern Frankreichs und das Dorf wurde der neu geschaffenen Mairie (Bürgermeisterei) Grumbach im Arrondissement Birkenfeld, zugeteilt. das wiederum zum Saardepartement  gehörte. Die alten jahrhundertealten Territorialgrenzen wurden aufgehoben. Eine Wildgrafschaft gab es nun nicht mehr. Es galt die neue revolutionäre Zeitrechnung und in allen Orten wurden Standesämter eingerichtet. Alle amtlichen Dokumente wurden nun in Französisch niedergeschrieben. Es gab auch Verbesserungen wie den Code Civil, der Rechtsgleichheit aller Bürger vor dem Gesetz garantierte, öffentliche Gerichtsbarkeit und die Gewerbefreiheit, die die Menschen vom Zunftzwang befreite.. Zahlreich waren allerdings auch die Sach- und Dienstleistungen für die französischen Truppen und nicht zuletzt auch Kriegsdienste der Bauernsöhne für Napoleons Armeen. In jene Zeit fielen auch die Anfänge eines geregelten Feuerwehrwesens. Maire Kühlenthal von Grumbach vermeldete am 24. Pluviose im 10. Jahr der fränkischen Republik (Februar 1802) für „Cappeln“ mit 32 Häusern Teilnahme an der Grumbacher Feuerspritze und verzeichnet 15 Feuereimer im Dorf.

 

1815 kam Kappeln nach der Vertreibung der Franzosen mit dem Amt Grumbach  zu dem neu errichteten Fürstentum Lichtenberg, benannt nach der gleichnamigen Burg bei Kusel. Neuer Landesherr wurde nun der Herzog von Sachsen-Coburg, dem man dieses Land samt den hier lebenden Menschen auf dem Wiener Kongress als Entschädigung für seine Verdienste in den Befreiungskriegen gegen Napoleon zugestanden hatte. Aufgeklärte Zeitgenossen sahen schon damals in diesem Vorgehen einen „elenden Länder- und Menschenschacher“.

Im Jahre 1817 wurde von der neuen Herrschaft im „Kreis Grumbach“ eine Zählumg aller Einwohner vorgenommen. In „Cappeln“ lebten damals 247 „Seelen“ (KA Kusel, Nr. 22).

Kappeln war damals Sitz einer kleinen Kirchengemeinde ohne Filialen. Die übrigen Orte im Amt Grumbach verteilten sich auf die Pfarreien Grumbach, Offenbach und Herren-Sulzbach. Katholische Mitbürger waren damals in Kappeln nicht ansässig. Auch die Anfänge einer Brandversicherung fallen in jene Zeit. So waren 1829 folgende öffentlichen Gebäude in „Cappeln“ gegen Brand versichert: „die Kirche, das Pfarrhauß nebst Scheune und Schoppen, das Schulhauß nebst Stall und drei Hirtenhäußer“.

Julius Plänckner, ein sachsen-coburgischer Ofizier, der das Fürstentum Lichtenberg bereiste und beschrieb, erwähnt für 1833 den Pfarrer Wolf zu „Cappeln“ und den Lehrer Karl Reichard, der aus Mittelbollenbach stammte und schon seit 1824 als Schulmeister in Kappeln ansässig war.

1834 verkaufte Sachsen-Coburg sein ungeliebtes Fürstentum Lichtenberg samt Einwohnern für eine Jahresrente von 80.000 Talern an das Königreich Preußen. Nun wurde auch Kappeln mit dem übrigen Amt Grumbach Teil der preußischen Rheinprovinz. Und jetzt konnte auch hier das Land durch eine für damalige Verhältnisse fortschrittliche und effektive Verwaltung aufblühen.

Um 1840 zählte man im Dorf 52 Wohnhäuser und eine noch größere Zahl an Stallungen und Scheunen.

Das ehemalige Pfarrhaus am Perlebachweg 1 wurde 1856 durch den preußischen Kreisbaumeister aus St. Wendel geplant. Architektonisch anspruchsvoll projektiert, passte das zweigeschossige fünfachsige Wohngebäude mit hohem gequadertem Sockel und separater Pfarrscheune harmonisch zum angrenzenden Kirchenbau.

Für das Jahr 1858 hat sich im Archiv der Kreisverwaltung Kusel als kostbares Dokument eine „Einwohnerliste aller Amtsdörfer des Amts Grumbach nach Stand, Beruf, Alter und Religion“ erhalten. Für Kappeln vermeldet der Ortsvorsteher Kreischer 325 Einwohner, die sich auf 52 Häuser verteilten.

41 Familienoberhäupter werden als „Ackerer“ bezeichnet, kleine Landwirte, bzw. Bauern also. Die bei weitem häufigsten Familiennamen waren Kreischer, Studt und Schneider. Weitere Namen der Kappeler Ackerer waren: Blumröder, Götz, Heinz, Helwig, Kern, Lambert, Litzenberger, Mäurer, Stein, Venter, Wagner und Ziegler. Außer den reinen Bauern lebten 1858 im Dorf noch der Schuster Karl Müller und der Schneider Peter Studt mit ihren Familien. Auch ein Feldhüter, ein Schweine- und ein Schafhirt werden erwähnt. Einige wenige Bauern hatten auch Gesinde: Taglöhner, Dienstknechte und Mägde.

Besondere Erwähnung finden der Lehrer Carl Reichart und der Pfarrer Heinrich Lindenborn mit ihren Familien, die im Schul-, bzw. im Pfarrhaus in der Dorfmitte wohnten. Lehrer Reichart war 52 Jahre als Lehrer bei kärglichem Gehalt und mit einer zahlreichen Familie gesegnet, als Lehrer in Kappeln tätig, wo er auch 1878 starb.

Auch der Müllermeister Jakob Studt mit Frau und zwei Kindern wird 1858 als Einwohner von Kappeln erwähnt.

Im Ortsteil „Windhof“ werden 1858 schließlich noch zwei Familien genannt: die des Heinrich Michel und des Peter Jacob Geis, beide Ackerer.

In jener Zeit nahm aber auch in Kappeln die Auswanderung ganzer Familien nach Nordamerika immer mehr zu. Werner hat errechnet, dass allein in den Jahren 1846 – 52 mindestens 26 Personen, also etwa 10% der Einwohnerschaft Kappelns, ihre Heimat verließen. Die Gründe waren vor allem in der Zersplitterung des Grundbesitzes zu suchen, die gerade jungen Familien kaum noch die Möglichkeit bot, in der Heimat ein Auskommen zu finden und zu zunehmender Verarmung führte. Groß war die Hoffnung, im „gelobten Land“ Amerika eine bessere Zukunft zu finden und viele folgten den Verheißungen auf ein besseres Leben, wie mehrere erhalten gebliebene Auswandererbriefe bezeugen. Mitglieder der Familien Mäurer, Studt, Schneider und Kreischer zogen damals nach Amerika. Ihre Angehörigen und Freunde in der alten Heimat sahen sie niemals wieder.

Seit Mitte der 1830er Jahre entstanden auch in Kappeln zahlreiche Neubauten. Der Ort prosperierte unter der neuen Herrschaft des Preußenadlers. Und doch hat sich bis heute im Ort noch einiges an alter, schützenswerter Bausubstanz erhalten. Schüler-Beigang erwähnt in seiner Denkmaltopographie des Kreises Kusel von 1999 etwa den Streckhof Oberdorf 18, der im Kern wohl noch auf das 18. Jahrhundert zurückgeht oder das mit Mansarddach versehene Gebäude Oberdorf 6; ferner die Dreiseitanlage westlich der Kirche Hauptstraße 20 mit älteren Bauspolien, wohl vom alten Kirchenschiff. etwa einer Schlüssellochschießscharte und einem Fenstergewände des 16. Jahrhunderts. Erwähnenswert ist auch das markante Treppengiebelhaus Oberdorf 15, ein seltenes Zeugnis einer einst in der Region weit verbreiteten Bauform. Ein Brunnenhäuschen bei Damm 4, das Nebengebäude von Hauptstraße 20 und das Türgewände Unterdorf 6, in der früheren Mäurerschen Scheune, datiert von 1589, sind weitere architektonische Kostbarkeiten. So finden sich also in dem kleinen Dörfchen Kappeln etliche Gebäude mit hohem Denkmalwert.

Ein großer Fortschritt war für Kappeln der Bau der Straße durch den Sandwald nach Grumbach zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nun konnte man den steilen Aufstieg über den Mühlenberg vermeiden, der von schwer beladenen Fuhrwerken kaum zu bewältigen war. Nicht immer war man aber gegenüber dem technischen Fortschritt so aufgeschlossen. So lehnte der Gemeinderat 1912 die Versorgung des Dorfes mit elektrischem Licht als zu kostspielig ab und es sollte noch bis 1922 dauern, bis auch hier in Kappeln die Segnungen der Stromversorgung Einzug hielten.

Vieles gäbe es noch von Kappeln aus der jüngeren Vergangenheit zu berichten. Aber das alles lässt sich in der aufschlussreichen, gut recherchierten kleinen Chronik von Wolfgang Werner „Kappeln. Die Geschichte eines kleinen Pfälzer Dorfes“ aus dem Jahr 2000 nachlesen.

Auf eine Besonderheit Kappelns muss hier aber noch eingegangen werden: die Erbruthengemeinschaft. Mit den sogenannten Erbruthen hat sich in Kappeln eine altertümliche bäuerliche Genossenschaft erhalten, die in ihren Ursprüngen wohl noch ins Mittelalter zurückreicht. Wolfgang Werner schreibt hierzu: „Auf die Erbruthen sind die Kappelner besonders stolz und tatsächlich gibt es derartige gemeinschaftliche Forstbewirtschaftungen heute kaum noch. Die Erbruthengemeinschaft ist sehr alt  und niemand weiß mehr, wann sie entstanden ist. Die mündliche Überlieferung besagt, zwei Damen aus dem Siener Schloss hätten einst dieses Waldstück den Kappelner Bauern übereignet. Jedenfalls wird das Waldstück unter diesem Namen schon 1770 als „Cappler Ruthen Schlag“ erwähnt. Die Ruthen sind mit 39,77 Hektar die größte Parzelle der Gemarkung. Der Wald wird von den Mitgliedern nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen gemeinsam bearbeitet. Die älteste Satzung, die noch im Dorf vorhanden ist, stammt aus dem Jahr 1864. Um 1900 hatte die Gemeinschaft noch 54 Teilhaber“.

Anteile am Waldeigentum kann nur haben, wer in Kappeln ein Haus besitzt. Der Vorsitzende, „Kuppenschütz“ genannt, ordnet die Arbeiten im Wald an. Die Kappeler Erbruthen bestehen aus 18 „Kuppen“, Waldstücken also. Der Kuppenschütz beaufsichtigt auch die Waldarbeiten, wie Fällen und Schneiden von Bäumen, Ausputzen der Schonungen oder Neupflanzungen. Jährlich fallen etwa 100 – 120 Festmeter Scheitholz an, die durch das Los verteilt werden.

Alte Kappeler Bürger erinnern sich noch an die früheren Arbeitsabläufe:In den Wintermonaten ging es zum Holzmachen, wobei jeweils die mittlere Kirchenglocke, die „Ruthenglocke“ genannt, zum gemeinsamen Aufbruch rief. Im Mai wurde auch noch Loh gemacht, wobei die Rinde jüngerer Eichen in vollem Saft abgeschält wurde. Nach anschließender Trocknung wurde die Lohe noch bis in die 1920er Jahre an Gerber verkauft, die sie für die Ledergewinnung nutzten.

Auch wurden damals noch alte Bräuche gepflegt, wie das „Huhwennele“ und das Schwören des Rutheneides. Nach getaner Arbeit und dem Genuss von reichlich Apfelwein zogen die Ruthengenossen Abends, fröhliche Lieder singend, wieder heim ins Dorf. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Zahl der Mitglieder der Erbruthengemeinschaft allerdings stark verringert.

Im Jahr 1964 erhielt die Gemeinde ein eigenes Wappen: schräggeteilt unten die silberne Dorfkirche, das Wahrzeichen des Ortes im grünen Feld und oben im goldenen Feld der rote Löwe der Wild- und Rheingrafen, der alten Ortsherren.

Kappeln ist bis heute ein recht lebendiges Dorf geblieben mit einem gut funktionierenden, rührigen Dorf- und Vereinsleben. Das bezeugen nicht zuletzt die im alten Ortskern durchgeführten Bauernmärkte der jüngeren Vergangenheit. Im Ortsportrait im Westrichkalender von 2018 heißt es: „Um die schöne Lage des Dorfes zu besichtigen, wurde ein Ortsrandweg mit ca. 2 – 3 Stunden Gehzeit angelegt. … Folgende Vereine gibt es im Ort: Männergesangverein 1879 Kappeln, TuS Kappeln 1927 (mit Abteilungen Fußball - SG Perlbachtal – und Schießen), Landfrauenverein, Freiwillige Feuerwehr und Kulturverein. Durch das rege Vereinsleben finden viele Veranstaltungen statt. Hervorzuheben sind die Kirmes im Juli, der Fastnachtsumzug, die Ausstellung ‚Kunst in alten Mauern‘, das Landfrauenfest sowie der Dorfmarkt als Fortsetzung des Europäischen Bauernmarktes des Landkreises, der in den Jahren 2005/06 erfolgreich ausgerichtet wurde“ So kann das Dorf Kappeln, bei all den Problemen, die der demographische Wandel verursacht, mit seinen Einwohnern und seinen Gästen nun auch im Jahr 2019 ein stolzes Jubiläum feiern: die erste Erwähnung des Dorfes vor 700 Jahren im Jahre des Herrn 1319. Damit kann die stolze Tradition der Fest-Aktivitäten in dem liebenswerten Dorf im Perlebachtal um ein weiteres Kapitel bereichert werden. Vivat Kappeln und seine Bürger!