700 Jahre
Kappeln
Bemerkungen
zur Geschichte eines kleinen Dorfes im Pfälzer Westrich.
Verlässt man das Glantal, von
Lauterecken herkommend, auf der Bundesstraße 270 in Richtung Kirn und
Idar-Oberstein, und biegt bei Grumbach ab, dann gelangt man auf gewundener
Straße schon bald ins Tal des Perlebachs, dort, wo
dieser in den größeren Jeckenbach einmündet.
Malerisch und verträumt liegt hier das Dörfchen Kappeln inmitten des Nordpfälzer
Berglandes. Wolfgang Werner, Wahl-Kappeler, beschrieb das im Jahr 2000 folgendermaßen:
„Man fährt den Berg steil hinan und kommt über die Höhe, vorbei am Sonnhof und dem 375 m hohen, bewaldeten Taubhaus.
Oben auf der Höhe hat man einen wunderschönen weiten Blick über die sanften
Hügel mit ihren Feldern, den Streuobstwiesen und Wäldern. Besonders im Frühjahr,
wenn die Rapsfelder knallgelb sind, die Wiesen in saftigem Grün stehen, die
Obstbäume weiß und rosa blühen, ist dies ein unvergesslicher Anblick. … Von
hier oben schlängelt sich die Straße dann kurvenreich wieder hinab durch den Sandwald ins Tal. Alte Linden, die zu beiden Seiten die
Straße einfassen, bilden mit ihren Ästen einen grünen Baldachin, und die Luft
ist im Mai … erfüllt vom süßen Duft der Blüten.“
Hier liegt nun im Tal das Dorf Kappeln in rund 230 Metern Höhe
über dem Meeresspiegel, eingerahmt von Hügeln, die sich auf rund 350 Meter
erheben. Da ist einmal im Süden des Dorfes der 334 m hohe Mühlen-Berg, Teil
einer Hügelkette, über die, am Windhof vorbei, die alte
Römerstraße in Richtung Breitenheim weiterführt. Im Nordwesten des Dorfes liegt
der Frohneberg mit seinen mächtigen, altehrwürdigen Huteeichen, Naturdenkmalen, die noch an jene Zeiten
erinnern, als die Kappeler ihre Viehherde gemeinsam hinaus auf die Allmendweide trieben, wo im hohen Sommer Tiere und Hirten im
Schatten der mächtigen Eichen zur Mittagszeit rasten konnten. Im Nordosten des
Dorfes, nach Löllbach zu, liegt der 296 m hohe Riedenberg.
Und nördlich vom Perlebach, in Richtung Hoppstädten, erheben sich schließlich die bewaldeten
Bergkuppen des Perlekopfs (377 m), des Heerwaldes und
der Ruthen (371 m), sowie der Striedt (351 m). Letzteres
ist ein Flurname, mit dem man im Mittelalter feuchten, verbuschten
Niederwald bezeichnete.
Rund 215 Einwohner zählt heute die kleine Gemeinde im
nordöstlichen Zipfel des Landkreises Kusel, in der
Verbandsgemeinde Lauterecken-Wolfstein, bei einer Gemarkungsfläche von 767
Hektar, von denen etwa 257 ha Wald sind. Schworm beschreibt
2010 in den „Westricher Heimatblättern“ die Ortslage Kappelns
wie folgt: „Es handelt sich um ein zusammengedrängtes Haufendorf mit alter
Bausubstanz, das sich im erweiterten Talgrund der
beiden Bäche ausbreitet und seitlich zu den Berghängen hin ansteigt. Die Kirche
steht in der Mitte des Dorfes und der Friedhof liegt im Westen … rechts des Perlebachs. Etwa 500 m bachabwärts vom Ortsende aus und
seitlich der Straße nach Löllbach stand die Kappeler
Mühle – dort, wo nach 1959 der Aussiedlerhof von Familie Litzenberger errichtet
und „Udenhof“ benannt wurde. Im Nordosten auf einer
Anhöhe liegt der Sportplatz … Insgesamt ist nur geringe Neubautätigkeit
festzustellen. Die ehemalige Schule dient heute als Dorfgemeinschaftshaus“.
Ausführlich geht auch Schüler-Beigang
in der Denkmaltopographie des Kreises Kusel von 1999 auf die Ortssituation ein: „Das aus zwei
Siedlungskernen und ihren Erweiterungen zusammengewachsene Dorf liegt an der
Einmündung des Perlebachtals in das des Jeckenbachs. Den von Westen herziehenden Jeckenbach flankiert im Süden ein langgestreckter Höhenzug
über den ein alter Höhenweg von Meisenheim über Burg Lichtenberg ins Ostertal zieht. Die Nordflanke des Tals bilden der Frohneberg rechts des Perlebachs
und der Ehleberg zu seiner Linken. … Der ins Tal des Perlebachs hineingebaute Ort ist ein langgestrecktes
Haufendorf mit einer Erweiterung des 19. Jahrhunderts jenseits des Jeckenbachs. Ältester Teil des Dorfes dürfte die Umgebung
der Kirche sein, die auf einen ins Jeckenbachtal
vorstoßenden Ausläufer des Frohnebergs gestellt ist.
Der heutige Siedlungsschwerpunkt ist das sogenannte Oberdorf, an das bereits im
18. Jahrhundert das Unterdorf zur Kirche hin anschloss. Wohl erst im 19.
Jahrhundert entstanden die Höfe an der Straße nach Merzweiler und an der Straße
nach Grumbach (Damm). Ende des 18. Jahrhunderts erlebte der Ort eine
wirtschaftliche Blüte, von dem eine Reihe stattlicher Höfe und vor allem der
aufwendige Neubau des Kirchenschiffes Zeugnis ablegen“.
Der Name des Frohneberges erinnert
übrigens an altes Herrenland, das von den leibeigenen Bauern in „Fron“ zu
bewirtschaften war; denn „Fron“ bezeichnet im althochdeutschen den Herrn, wie
wir noch heute im Namen des Festes Fronleichnam erkennen können. An altes
Herrenland erinnert auch der Straßenname Im Brühl im Jeckenbachtal.
Hier lag herrschaftliches Wiesenland, oft die besten Wiesen im Ort, deren
Bewirtschaftung die leibeigenen Bauern übernehmen mussten und dessen Erträge
der Herrschaft zustanden. Meist mussten die Bauern hier das Heu machen und in
die herrschaftlichen Scheunen schaffen. Die Einheimischen unterscheiden in dem
verwinkelten Dorf ohne eigentlichen zentralen Ortsmittelpunkt zwischen den
Ortsteilen Oberdorf, Mitteldorf, Unterdorf, Damm, Gass
und Frohneberg.
Wichtige Zeugnisse der Dorfgeschichte sind stets auch die
Flurnamen, jene uralten Bezeichnungen für die Wiesen, Wälder und Äcker einer
Gemarkung. Früher kannte jedes Kappeler Kind diese Namen, heute sind viele von
ihnen in Vergessenheit geraten. Es sind dies in alphabetischer Reihenfolge etwa:
Auf Bauler, auf Branntwein, Breitwies, im Brühl, auf Elbert, aufm Frohneberg, auf der Grube, Grünbruch, auf Hahndorn, im Hasengeschirr, Herzedell,
auf Hetsche, Hirtenwies, Höhwald,
die Hoppstadt, auf Kerr, auf Klopp, Kreuzweide, Löhrheck, in der Löllbach, Löllbacherrech, Löllbachweg, Lötzelwies, Maiwies, auf Minsell, Mühlacker, Mühlenberg, hinter Pfuhl, im Prenkel, in Perle, aufm Riederberg,
auf der Rotsche, die Ruthen, auf der Sandheck, Sauwasem, Schäfersgarten, auf der Schieß, Schmelzhof, im Singen,
Sonnwiese, Spieß und Wehracker. Im Zuge des klassischen Flurbereinigungsverfahrens von 1959-62 entstanden völlig neue Feldwege,
viele Gehölze und Streuobstwiesen wurden gerodet, die Gemarkung veränderte ihr
Gesicht. Auch etliche Flurnamen verschwanden damals aus dem Kataster.
Nachbarorte von Kappeln sind im Westen Merzweiler, im
Nordwesten Hoppstädten, im Norden Schweinschied und Löllbach, im Osten und Süden Medard,
Lauterecken und Grumbach, der alte Verwaltungssitz.
Eine reiche Geschichte kann das kleine Dorf Kappeln im Perlebachtal jedenfalls aufweisen. Schworm
erwähnt die römische Vergangenheit des Ortes. „Wir nehmen mit Sicherheit an,
dass die Umgebung schon in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt war.
Wahrscheinlich bestand zur Römerzeit in der Ortslage eine Villa rustica. Erhalten aus gallo-römischer
Zeit blieb ein steinernes Relief, das in die Pfarrhausmauer eingesetzt wurde. Die
Darstellung zeigt eine kniende Männergestalt mit Schlangenbeinen, erhobenem
rechtem und abgewinkeltem linkem Arm. Auf der linken Schulter und auf dem ausgestreckten
linken Arm trägt die Gestalt einen Stein mit der verstümmelten Inschrift ‚Felic…‘“. Der Archäologe Steven Ditsch
erkennt das Relief als Teil eines römischen Grabmales und
zwar als die Darstellung eines Tritons, eines Meergottes also, zumal die stark
verwitterte Gestalt in der ausgestreckten rechten Hand eine Muschel trägt.
Aus der Römerzeit stammt auch ein früheres Hügelgrab unterhalb
des Perlekopfes, das bereits um 1860 geöffnet worden
war und eine Steinkiste sowie eine große Urne enthielt. Beide sind heute
verschollen. Dieses Brandgrab auf der Kappeler Gemarkung macht die Existenz
einer Villa rustica – eines landwirtschaftlichen
Gutes also - in der Umgebung sehr wahrscheinlich.
Die Alten erzählten auch, dass es im Wald „auf Klopp“ einmal
eine Siedlung gegeben habe und dass dort noch Mauerreste im Boden zu finden seien.
Eventuell aus der Keltenzeit stammen drei Hügelgräber im Wald „auf Striedt“ unmittelbar jenseits der Gemarkungsgrenze von
Schweinschied (Werner). Und das große Römerdenkmal von Schweinschied ist ja
weit über die Region hinaus bekannt.
Auch der frühere Regionalhistoriker des Amtes Grumbach, Pfarrer
Otto Karsch, dem wir viele Informationen über die Geschichte des Grumbacher Landes verdanken, vermerkt 1959 in seiner
„Geschichte des Amtes Grumbach“:„In
Kappeln war einmal mehr, als man auf Grund der Urkunden nachweisen kann. Vielleicht
könnten Grabungen irgendwelche Mauerreste und Fundamente zutage fördern, die uns
sagen, dass hier in frühester Zeit einmal ein Heiligtum gewesen ist. Welcher
Art dieses Heiligtum war, wo es gestanden hat, welche Gottheit hier verehrt
wurde, wird für alle Zeiten ein Geheimnis bleiben“ (Karsch, S. 46).
“Zuo der Cappeln“
– bei der Kapelle – haben einst die Menschen, die sich dort ansiedelten, diesen
Ort genannt. Ein, wenn auch kleines Gotteshaus war also bereits in der
Frühzeit des Ortes, zur Zeit der Namengebung, hier vorhanden.
1319 wird unser Dorf in einer wildgräflichen Urkunde erstmals als
„Cappellen“ genannt. Es geht in der Original-Urkunde,
die der Historiker Thomas Hein aus Grumbach im Fürstlich Salm’schen
Archiv in Anholt in Westfalen „wiederentdeckte“ und auswertete, um
Streitigkeiten zwischen den wildgräflichen Linien zu Kyrburg
und Dhaun und es werden neben „Cappellen“
auch die Nachbarorte Löllbach, Schweinschied,
Herren-Sulzbach, Langweiler, Kirrweiler, Homberg und
die beiden Jeckenbach – Ober und Unterjeckenbach
– erwähnt.
In allen späteren Urkunden des 15. und 16. Jahrhunderts ist
meist nur von „Udenkappeln“ die Rede. Der Zusatz geht
wohl auf den altdeutschen, nicht gerade häufigen, Vornamen Udo zurück –
vielleicht war es der Gründer des Gotteshauses, ein reich begüterter regionaler
Niederadliger, der hier eine kleine Eigenkirche errichtete. Die volkstümliche
Überlieferung, dass der Name auf den bayrischen Lokalheiligen Utto, bzw. Udo zurückgehen soll, kann man allerdings
getrost ins Reich der Fabel verweisen: „Man erzählt, dass der Mönch Utho, der um 800 das mittelbayrische Kloster Metten
gründete, auch hier eine Kapelle oder sogar ein Kloster erbaut habe, von dem
noch Überreste vorhanden seien. .Der Beiname Uden- tritt aber erst seit 1400 in Erscheinung und um diese
Zeit ist wohl die Kappeler Kirche erbaut worden. Man kann vielleicht annehmen,
dass die Erbauer der Kirche irgendeine Beziehung zu dem Kloster Metten hatten
und dieser Beziehung Ausdruck gaben, indem sie dem Dorf den Namen des Klostergründers
als Beinamen gaben“ (Karsch, S. 46).
Namensbelege sind, nach Dolch (Historisches Siedlungsnamenbuch
der Pfalz), etwa: 1417 (Or.) Udin
Cappellen (HSA Mü., Rhpf. Urk- 3287); 1457 (Or.) Vdencappeln by Grunbach (HSA Mü., Rhpf. Urk. 5288); 1500 (Or.) zu Vden cappellen
(HSA Mü., Rh.pf. Urk. 2288), 1562 (Or.) Vden cappell,
Cappell (LHA K 36/ 2392). In der Ortsmundart spricht
man nur von “Kabbele” und die Einwohner sind „die Kabbeler“.
Im Namen des “Udenhofes” unterhalb von Kappeln in
Richtung Löllbach hat man den alten Namenszusatz des
Dorfes bewahrt. Aber noch um 1900 war der alte Ortsname inoffiziell im
Gebrauch. So wirbt eine Postkarte aus dieser Zeit mit einer Totalansicht des
Dorfes, eingerahmt von schwarz-weiß-roten Girlanden in den preußischen
Landesfarben und dem „Gruß aus Uden-Kappeln (Bz. Trier)“.
Das Dorf Kappeln gehörte nach der Vertreibung der Römer seit
jeher zum fränkischen Nahegau und hier zum
wildgräflichen Amt Grumbach im Hochgerichtsbezirk auf der Heide bei Sien. Die Rüge- oder niedere Gerichtsbarkeit im Dorf selbst
stand den Wildgrafen zu, die
an einem bestimmten Tag des Jahres, zwischen Remigiustag,
dem 1. Oktober, und Martini, dem 11. November, im Dorf ihren Gerichtstag abhielten,
zu dem jeder „Gemeindsmann“ zu erscheinen hatte.
Die Herrschaftsverhältnisse in Kappeln waren recht kompliziert
und schwer zu durchschauen.
1353 schlichteten die Grafen von Sponheim und Veldenz einen
Streit zwischen den Wildgrafen einerseits und deren Lehnsleuten, den Adeligen
Boos von Waldeck und Greifenclau zu Vollrads andererseits. Es ging um Rechte im Gericht Kappeln
und dabei werden auch die Schöffen dieses Gerichts genannt: „Heintze Bode, Berthram Stormes Son, Nyclas der Weber, Heintze der guode
Man, Hennekin Schefers Son, Heintze Swinde und Johan Bastruoz und darzuo die Gemeinde alle gemeinlichen
des Dorfes zuo Cappeln bi Gruombach gelegen“ (Werner, S. 58). Wir haben damit die
ersten namentlich bekannten Einwohner unseres Dorfes Kappeln vor uns. Auch
weisen die Schöffen die recht altertümlichen Sitten bei diesem Gerichtstag:
„Das Recht, das hernach geschrieben stehet, ist des Wildgrafen zu Dhaun in dem Dorf Kaplen. Zum
ersten sprechen wir, das er alle Jar
zwischen Sankt Remigius Tag und Sankt Martins Tag einen Tag machen mag; und was
wir ihm auf denselben Tag rügen, das soll er Richter seyn,
Dags und Nachts. Und uf denselben Tag soll man im
einen Stock schlagen in die Erd, das er sein Pferd
dran binde und ein Bund Stroh das das Pferd esse und ein Sessel das er darauf
sitze und einen Tisch dar stellen und einen weißen Becher daruf
und dazu also viel Salz, das man zwei Eier damit salzen möge“ (Albert Zink. C.
F. Schotts ‚Nahegau‘. Eine wertvolle
heimatgeschichtliche Quelle, in: Nationalblatt Juni/Juli 1939).
In die Grundherrschaft von Udenkappeln
teilten sich im 15. Jahrhundert die Wildgrafen, die die Hälfte besaßen und
diese Hälfte an die Herren von Lewenstein als Lehen
vergeben hatten, dann die Grafschaft Sponheim, die ein Viertel Anteil innehatte
und diesen an die Herren von Greifenclau zu Vollrads als Lehen gegeben hatte und schließlich die
Grafschaft Veldenz, ebenfalls mit 1 Viertel Anteil, der an die Boos von Waldeck
verliehen war. Die Herren von Lewenstein, die sich
nach der Niederburg Lewenstein bei Niedermoschel benannten, wo sie ihren Stammsitz hatten,
starben 1668 im Mannesstamm aus. Sie hatten 1589 zu ihrer Hälfte noch den
Viertelanteil der Greifenclau erworben und verkauften
diese drei Viertelanteile schon 7 Jahre später, 1596, an den Wild- und
Rheingrafen Leopold Philipp Wilhelm von Grumbach. So sahen sich die Grumbacher Grafen seit dem späten 16. Jahrhundert als die
eigentlichen Herren von Kappeln. 1708 hoben sie in ihrer Grundherrschaft die
Leibeigenschaft der Bauern auf, Frohndienste wurden
abgeschafft – ein großer Fortschritt für die Kappeler Bauern. Dieser
Freiheitsbrief wurde 1729 und 1763 von den nachfolgenden Wildgrafen bestätigt.
Die „Boos’schen Unterthanen
zu Uden Cappeln“ forderten
daraufhin ebenfalls größere Freiheiten, jedoch zunächst ohne Erfolg. Beim
Verkauf von 1596 hatten es die Lewensteiner als
Verkäufer aber unterlassen, ihre Lehensherrschaften Kyrburg
und Sponheim zu unterrichten. Als diese davon erfuhren, gab es heftige
Streitigkeiten und Prozesse, die erst 1684 beendet wurden. Leidtragende waren
wie immer die leibeigenen Bauern des Dorfes.
Doch damit nicht genug: Streitigkeiten gab es zudem auch mit
den Herren Boos von Waldeck, die ihr Viertel an der Ortsherrschaft ja nicht
veräußert hatten. Die Boos von Waldeck waren ein mächtiges und streitbares
Niederadelsgeschlecht im Hunsrück und an der Nahe und hatten in der Region
reichen Streubesitz. Sie saßen auch auf Burg Montfort und hatten einen
stattlichen Herrenhof in Meisenheim, der heute noch existiert. Sie waren
Lehnsleute und Amtmänner in Dienste der Kurpfalz, von Kurtrier und
Pfalz-Zweibrücken. Im Wappen führten sie auf rotem Grund drei schräggestellte
rautenförmige silberne Sporenschnallen. Die Wild- und Rheingrafen sahen sich
seit 1596 als die eigentlichen Herren des Dorfes Kappeln, trotz eines Vertrages
von
Als wenige Jahre später, im Frühjahr 1793, die französischen
Revolutionstruppen ins Grumbacher Land
einmarschierten, mussten der Wild- und Rheingraf im Grumbacher
Schloss und seine Familie bei Nacht und Nebel aus ihrer Residenz fliehen. Sie kehrten nie mehr zurück. Von den neuen Herren
wurden die alten Adelsanrechte und Privilegien abgeschafft. Der ewige Zank und
Streit um Kappeln fand ein abruptes Ende und sicher wurde dies von den
Einwohnern des Ortes, die immer zwischen allen Stühlen saßen, freudig begrüßt.
Die alte Kappeler Kirche war, so Karsch, im Jahre 1493 in
aller Munde. Schon seit Jahrzehnten erzählten sich die leibeigenen Bauern des
Dorfes von seltsamen Dingen, von verborgenen Schätzen in dieser Kirche. In
diesem Jahre nun wurde bei Bauarbeiten in der Kirche ein beträchtlicher Schatz
von purem Golde gefunden und dem Rheingrafen Johann zu Dhaun
als Landesherr übergeben. Es war dies wohl Johann VI., Wild und Rheingraf zu Dhaun und Kyrburg, Graf zu Salm, (+
1499), der letzte Wild- und Rheingraf, der noch über das riesige Territorium
auf dem Hunsrück herrschte. Unter seinen Söhnen wurde die Herrschaft dann aufgeteilt
und es entstanden zwei unabhängige Linien: die Kyrburger
und die Dhauner Wild- und Rheingrafen. Die Kyrburg bei Kirn und die Burg Dhaun
überm Kellenbachtal waren ihre Residenzen. Von den Kyrburgern spaltete sich 1574 mit Johann Christoph (1555 –
85) die Linie Grumbach ab, die zu Ortsherren in Kappeln und im gesamten Amt
Grumbach wurden. Der Landesherr, Wildgraf Johann, war
jedenfalls über das unerwartete Schatzglück von 1493 so erfreut, so berichtet
Karsch, dass er versprach, als Dank der Kapelle jedes Jahr einen Goldgulden zu
schenken. Dafür sollten auf Sankt Johannes des Täufers Geburtstag und auf Sankt
Michaelstag in dieser Kirche von vier Priestern Messen und Vigilien gelesen
werden. Wenn von dem Goldgulden dann noch etwas übrig bliebe, sollte der Rest
zu Bau und Nutzen der Kirche verwandt werden.
Nachdem die Wild- und Rheingrafen sich der Reformation Luthers
angeschlossen hatten, wurde Kappeln ab 1556 mit Löllbach
und Schweinschied zu einer eigenständigen kleinen Pfarrei zusammengelegt. Fast
400 Jahre diente die Kirche dann als Anbetungsstätte für die Gläubigen. Um die
Kirche herum lag damals auch der Friedhof für die Dörfer. Dann wurde das
Kirchenschiff baufällig und musste abgerissen werden. 1789-90 wurde unter der
Bauleitung des Kirner Baumeisters Fickeis und unter Erhaltung
des massiven mittelalterlichen Turmes die heutige Kirche erbaut und zwar aus
Mitteln des Zehnten und der Pflichtanteile der Wild- und Rheingrafen von
Grumbach und der Herren Boos von Waldeck, die beide anteilig Patronatsherren
der Kappeler Kirche waren. Es war dies eine der letzten Baumaßnahmen der alten
Ortsherrschaft vor dem Zusammenbruch der alten Gesellschaftsordnung im Gefolge
der Französischen Revolution, welche die alten, morschen Staatsstrukturen
hinwegfegte. Es wird auch erzählt, dass „in der Franzosenzeit“ der berüchtigte Räuberhauptmann
Schinderhannes, Johannes Bückler, in dieser Kirche
konfirmiert worden sein soll.
„Die auf einem künstlich erweiterten Felsbuckel über dem
Zusammenfluss von Perle- und Jeckenbach errichtete
Kirche besteht aus romanischem Westturm und einem barocken Saalbau mit
Dreiseitschluss. 1862 hat man den Turm im Zusammenhang mit dem Umguss der Glocken um ein zweites Glockengeschoss erhöht.
Der Baukörper ist mit einem verschieferten Halbwalmdach gedeckt. Im flach
gedeckten Innenraum hat sich von der barocken Ausstattung die Westempore
erhalten“ (Schüler-Beigang). Die Orgel stammt vom
Ende des 19. Jahrhunderts, genauer aus dem Jahr 1880, und wurde von der Firma Oberlinger hergestellt. Das aufwendig gestaltete Gotteshaus
in der Ortsmitte hat sich bis heute seinen originalen, im romanischen Stil
errichteten Glockenturm erhalten können, der nach dendrochronologischen
Untersuchungen bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts zurückreicht.
Die Kirche erhielt nun 1862 auch ein neues Geläut aus der Glockengießerwerkstatt
von Georg Hamm, Frankenthal. Bis dahin waren noch drei alte Glocken aus dem
Jahr 1629 auf dem Turm vorhanden, gegossen von Elias Sermosius
(Sermoise), einem aus Lothringen stammenden
wandernden Glockengießer. Die Inschrift der großen Glocke lautete: „Uden Cappeln mich myst machen, dessen haet sie
recht Ursachen, da der funft Tag Octobris
war, im Tausend sechshundersten Jahr, dar zu liese zwanzig und neun. Gott der Herr bewahr
uns allein“ (Werner, S. S. 114).
Der fromme Wunsch der alten großen Kappeler Glocke von 1629 sollte
nicht in Erfüllung gehen. Das Dorf Kappeln hatte zu Beginn des 30jährigen
Krieges rund 200 Einwohner – etwa so viele wie heute – und es erstreckte sich
von der Kirche bis hin zur alten Kappeler Mühle. Die Kriegsereignisse besonders
um das Schreckensjahr 1635 endeten auch für Kappeln und seine Bewohner in einer
Katastrophe. Nur vier Einwohner sollen der Volksüberlieferung nach das große
Morden in Kappeln überlebt haben: Sie hätten die Familiennamen Studt,
Schneider, Kreischer und Heinz getragen, alle übrigen seien durch die
Kriegsereignisse und Seuchen wie die Pest dahingerafft worden und verdarben. Die
Häuser waren fast alle zerstört und verfallen, die Äcker und Wiesen von Unkraut
und Gesträuch überwuchert. Hungrige Wölfe zogen am hellichten
Tag durch die verödeten Dörfer und nur die Kirche und das alte Hirtenhaus sollen
von Udenkappeln übriggeblieben sein. Als die Kriegsunruhen
1648 beendet waren, siedelten sich hier allmählich auch fremde Menschen an, ein
Haus nach dem andern entstand neu, jedoch nicht genau da, wo das alte Kappeln
einst gestanden hatte. Aber doch ganz in der Nähe, mehr in Richtung auf das
Nachbardorf Hoppstädten zu.
Wenn heute so viel von witterungsbedingten Katastrophen die
Rede ist, dann zeigt uns die Chronik, dass dies auch in früheren Jahrhunderten
schon vorkam. Die Dorfchronik berichtet, dass im Jahr 1749 ein so schweres
Unwetter über Kappeln niederging, dass nicht nur die ganze Ernte zerstört
wurde, sondern auch das Dorf selbst fast einen Meter hoch unter Wasser stand
und die Menschen sich selbst nur mit Mühe und Not retten konnten. Sehr viel
Vieh soll damals in den Fluten umgekommen sein – eine Katastrophe für die
Bauern.
Am 4. Oktober 1875 wurde das Dorf wiederum überschwemmt.
Wieder drang das Wasser in die Häuser ein und richtete große Schäden an. Drei
junge Mädchen konnten nur mit Mühe vor dem Tode des Ertrinkens gerettet werden.
An einem kalten Wintertage des Jahres 1879 brach in der Kirche
Feuer aus, das aber bald gelöscht werden konnte.
Wenige Monate später, am 5 September 1880 läuteten erneut die Sturmglocken. Zwei Wohnhäuser und 3
Scheunen standen in Flammen. Am darauffolgenden Tage brannte ein weiteres
Wohnhaus und mehrere Scheunen und Ställe ab. Alle die entstandenen Schäden
wurden aber durch den Fleiß der Dorfbewohner und gegenseitige
Nachbarschaftshilfe bald behoben.
Schon seit frühesten Zeiten hatte Kappeln auch eine eigene
Dorfmühle. Abraham Schuck war 1591 der Besitzer der Kappeler Mühle. Er verkaufte
sie in diesem Jahr mit allem Zubehör an einen Hans Knapp für 358 Gulden. In dem
Kaufvertrag sind die Äcker und Wiesen aufgeführt, die zur Mühle gehörten, dazu
auch das „Mühlengeschirr“ und das sonstige Inventar: „In der Stube drei
Fenster, eine Scheibe zerbrochen, ein eiserner Ofen mit eingelegten Kacheln, …
ein Langeisen, eine Form, eine Pfanne …. In 23 Abschnitten sind alle Dinge
aufgezählt, die zur Mühle gehörten und mit verkauft wurden. Bei den Kriegsunruhen
in Jahre 1794, als französische Revolutionstruppen auch das Land an Glan und
Nahe heimsuchten, wurde auch Kappeln gebrandschatzt und die Einwohner
drangsaliert. Dabei wurde auch die Mühle ausgeplündert und der Müller stark heimgesucht. 1859 brannte die Mühle ab. Bald
darauf wurde eine neue gebaut“, die in den 1950er Jahren, zu Zeiten Pfarrer
Karschs, noch als Wohnung diente (Karsch, a.a.O., S. 47). Der letzte Müller
hieß Daniel Braun und betrieb das Gewerbe noch bis vor dem Zweiten Weltkrieg.
Die alte Mühle wurde später im Rahmen der Flurbereinigung abgerissen (Werner).
Schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts hatte man in Kappeln
eine eigene Schule errichtet, getreu der Losung der Reformation, den Kindern
das Lesen und Schreiben beizubringen. 1669 unterrichtete hier ein Lehrer namens
Molter in dem vom Krieg verschont gebliebenen
Hirtenhaus die Kinder des Dorfes – in erster Linie die Buben - mehr schlecht als recht. Dann wurde der
Unterricht in das neue Gemeindehaus verlegt und im Jahre 1883 endlich schräg
gegenüber der Kirche das noch bis in die 1960er Jahre genutzte Schulhaus
erbaut. Das frühere Schulhaus in der Friedhofstraße 1 fällt auf durch sein mit
Weinranken und Blattgirlanden reich verziertes Portal und das mit einer
Frauenbüste geschmückte Giebelfenster. Fast 90 Jahre nach ihrer Erbauung, wurde
die Kappeler Schule geschlossen und die Kinder nach Grumbach und Hoppstädten zur Schule geschickt. Die alte Schule wird
heute als Dorfgemeinschaftshaus genutzt.
Mit dem Sturz der alten Herrschaft wurden die Kappeler Untertanen
1798 zu Bürgern Frankreichs und das Dorf wurde der neu geschaffenen Mairie (Bürgermeisterei) Grumbach im Arrondissement
Birkenfeld, zugeteilt. das wiederum zum Saardepartement gehörte. Die alten jahrhundertealten Territorialgrenzen
wurden aufgehoben. Eine Wildgrafschaft gab es nun nicht mehr. Es galt die neue
revolutionäre Zeitrechnung und in allen Orten wurden Standesämter eingerichtet.
Alle amtlichen Dokumente wurden nun in Französisch niedergeschrieben. Es gab
auch Verbesserungen wie den Code Civil, der
Rechtsgleichheit aller Bürger vor dem Gesetz garantierte, öffentliche
Gerichtsbarkeit und die Gewerbefreiheit, die die Menschen vom Zunftzwang
befreite.. Zahlreich waren allerdings auch die Sach- und Dienstleistungen für
die französischen Truppen und nicht zuletzt auch Kriegsdienste der Bauernsöhne
für Napoleons Armeen. In jene Zeit fielen auch die Anfänge eines geregelten
Feuerwehrwesens. Maire Kühlenthal von Grumbach vermeldete
am 24. Pluviose im 10. Jahr der fränkischen Republik (Februar 1802) für „Cappeln“ mit 32 Häusern Teilnahme an der Grumbacher Feuerspritze und verzeichnet 15 Feuereimer im
Dorf.
1815 kam Kappeln nach der Vertreibung der Franzosen mit dem
Amt Grumbach zu dem neu errichteten
Fürstentum Lichtenberg, benannt nach der gleichnamigen Burg bei Kusel. Neuer Landesherr wurde nun der Herzog von
Sachsen-Coburg, dem man dieses Land samt den hier lebenden Menschen auf dem
Wiener Kongress als Entschädigung für seine Verdienste in den Befreiungskriegen
gegen Napoleon zugestanden hatte. Aufgeklärte Zeitgenossen sahen schon damals in
diesem Vorgehen einen „elenden Länder- und Menschenschacher“.
Im Jahre 1817 wurde von der neuen Herrschaft im „Kreis
Grumbach“ eine Zählumg aller Einwohner vorgenommen.
In „Cappeln“ lebten damals 247 „Seelen“ (KA Kusel, Nr. 22).
Kappeln war damals Sitz einer kleinen Kirchengemeinde ohne
Filialen. Die übrigen Orte im Amt Grumbach verteilten sich auf die Pfarreien
Grumbach, Offenbach und Herren-Sulzbach. Katholische Mitbürger waren damals in
Kappeln nicht ansässig. Auch die Anfänge einer Brandversicherung fallen in jene
Zeit. So waren 1829 folgende öffentlichen Gebäude in „Cappeln“
gegen Brand versichert: „die Kirche, das Pfarrhauß
nebst Scheune und Schoppen, das Schulhauß nebst Stall
und drei Hirtenhäußer“.
Julius Plänckner, ein sachsen-coburgischer Ofizier, der das
Fürstentum Lichtenberg bereiste und beschrieb, erwähnt für 1833 den Pfarrer
Wolf zu „Cappeln“ und den Lehrer Karl Reichard, der
aus Mittelbollenbach stammte und schon seit 1824 als Schulmeister in Kappeln
ansässig war.
1834 verkaufte Sachsen-Coburg sein ungeliebtes Fürstentum Lichtenberg
samt Einwohnern für eine Jahresrente von 80.000 Talern an das Königreich
Preußen. Nun wurde auch Kappeln mit dem übrigen Amt Grumbach Teil der
preußischen Rheinprovinz. Und jetzt konnte auch hier das Land durch eine für
damalige Verhältnisse fortschrittliche und effektive Verwaltung aufblühen.
Um 1840 zählte man im Dorf 52 Wohnhäuser und eine noch größere
Zahl an Stallungen und Scheunen.
Das ehemalige Pfarrhaus am Perlebachweg
1 wurde 1856 durch den preußischen Kreisbaumeister aus St. Wendel geplant.
Architektonisch anspruchsvoll projektiert, passte das zweigeschossige
fünfachsige Wohngebäude mit hohem gequadertem Sockel
und separater Pfarrscheune harmonisch zum angrenzenden Kirchenbau.
Für das Jahr 1858 hat sich im Archiv der Kreisverwaltung Kusel als kostbares Dokument eine „Einwohnerliste aller Amtsdörfer
des Amts Grumbach nach Stand, Beruf, Alter und Religion“ erhalten. Für Kappeln
vermeldet der Ortsvorsteher Kreischer 325 Einwohner, die sich auf 52 Häuser
verteilten.
41 Familienoberhäupter werden als „Ackerer“
bezeichnet, kleine Landwirte, bzw. Bauern also. Die bei weitem häufigsten
Familiennamen waren Kreischer, Studt und Schneider. Weitere Namen der Kappeler Ackerer waren: Blumröder, Götz,
Heinz, Helwig, Kern, Lambert, Litzenberger, Mäurer, Stein, Venter,
Wagner und Ziegler. Außer den reinen Bauern lebten 1858 im Dorf noch der
Schuster Karl Müller und der Schneider Peter Studt mit ihren Familien. Auch ein
Feldhüter, ein Schweine- und ein Schafhirt werden erwähnt. Einige wenige Bauern
hatten auch Gesinde: Taglöhner, Dienstknechte und Mägde.
Besondere Erwähnung finden der Lehrer Carl Reichart und der
Pfarrer Heinrich Lindenborn mit ihren Familien, die im Schul-, bzw. im
Pfarrhaus in der Dorfmitte wohnten. Lehrer Reichart war 52 Jahre als Lehrer bei
kärglichem Gehalt und mit einer zahlreichen Familie gesegnet, als Lehrer in
Kappeln tätig, wo er auch 1878 starb.
Auch der Müllermeister Jakob Studt mit Frau und zwei Kindern
wird 1858 als Einwohner von Kappeln erwähnt.
Im Ortsteil „Windhof“ werden 1858 schließlich noch zwei
Familien genannt: die des Heinrich Michel und des Peter Jacob Geis, beide Ackerer.
In jener Zeit nahm aber auch in Kappeln die Auswanderung
ganzer Familien nach Nordamerika immer mehr zu. Werner hat errechnet, dass
allein in den Jahren 1846 – 52 mindestens 26 Personen, also etwa 10% der
Einwohnerschaft Kappelns, ihre Heimat verließen. Die Gründe waren vor allem in
der Zersplitterung des Grundbesitzes zu suchen, die gerade jungen Familien kaum
noch die Möglichkeit bot, in der Heimat ein Auskommen zu finden und zu
zunehmender Verarmung führte. Groß war die Hoffnung, im „gelobten Land“ Amerika
eine bessere Zukunft zu finden und viele folgten den Verheißungen auf ein
besseres Leben, wie mehrere erhalten gebliebene Auswandererbriefe bezeugen.
Mitglieder der Familien Mäurer, Studt, Schneider und Kreischer zogen damals
nach Amerika. Ihre Angehörigen und Freunde in der alten Heimat sahen sie
niemals wieder.
Seit Mitte der 1830er Jahre entstanden auch in Kappeln
zahlreiche Neubauten. Der Ort prosperierte unter der neuen Herrschaft des
Preußenadlers. Und doch hat sich bis heute im Ort noch einiges an alter,
schützenswerter Bausubstanz erhalten. Schüler-Beigang
erwähnt in seiner Denkmaltopographie des Kreises Kusel
von 1999 etwa den Streckhof Oberdorf 18, der im Kern wohl noch auf das 18.
Jahrhundert zurückgeht oder das mit Mansarddach versehene Gebäude Oberdorf 6; ferner
die Dreiseitanlage westlich der Kirche Hauptstraße 20 mit älteren Bauspolien,
wohl vom alten Kirchenschiff. etwa einer Schlüssellochschießscharte und einem
Fenstergewände des 16. Jahrhunderts. Erwähnenswert ist auch das markante
Treppengiebelhaus Oberdorf 15, ein seltenes Zeugnis einer einst in der Region
weit verbreiteten Bauform. Ein Brunnenhäuschen bei Damm 4, das Nebengebäude von
Hauptstraße 20 und das Türgewände Unterdorf 6, in der früheren Mäurerschen Scheune, datiert von 1589, sind weitere
architektonische Kostbarkeiten. So finden sich also in dem kleinen Dörfchen
Kappeln etliche Gebäude mit hohem Denkmalwert.
Ein großer Fortschritt war für Kappeln der Bau der Straße
durch den Sandwald nach Grumbach zu Beginn des 20.
Jahrhunderts. Nun konnte man den steilen Aufstieg über den Mühlenberg
vermeiden, der von schwer beladenen Fuhrwerken kaum zu bewältigen war. Nicht
immer war man aber gegenüber dem technischen Fortschritt so aufgeschlossen. So
lehnte der Gemeinderat 1912 die Versorgung des Dorfes mit elektrischem Licht als
zu kostspielig ab und es sollte noch bis 1922 dauern, bis auch hier in Kappeln
die Segnungen der Stromversorgung Einzug hielten.
Vieles gäbe es noch von Kappeln aus der jüngeren Vergangenheit
zu berichten. Aber das alles lässt sich in der aufschlussreichen, gut
recherchierten kleinen Chronik von Wolfgang Werner „Kappeln. Die Geschichte
eines kleinen Pfälzer Dorfes“ aus dem Jahr 2000 nachlesen.
Auf eine Besonderheit Kappelns muss hier aber noch eingegangen
werden: die Erbruthengemeinschaft. Mit den
sogenannten Erbruthen hat sich in Kappeln eine
altertümliche bäuerliche Genossenschaft erhalten, die in ihren Ursprüngen wohl
noch ins Mittelalter zurückreicht. Wolfgang Werner schreibt hierzu: „Auf die Erbruthen sind die Kappelner
besonders stolz und tatsächlich gibt es derartige gemeinschaftliche
Forstbewirtschaftungen heute kaum noch. Die Erbruthengemeinschaft
ist sehr alt und niemand weiß mehr, wann
sie entstanden ist. Die mündliche Überlieferung besagt, zwei Damen aus dem Siener Schloss hätten einst dieses Waldstück den Kappelner Bauern übereignet. Jedenfalls wird das Waldstück
unter diesem Namen schon 1770 als „Cappler Ruthen
Schlag“ erwähnt. Die Ruthen sind mit 39,77 Hektar die größte Parzelle der
Gemarkung. Der Wald wird von den Mitgliedern nach forstwirtschaftlichen
Grundsätzen gemeinsam bearbeitet. Die älteste Satzung, die noch im Dorf
vorhanden ist, stammt aus dem Jahr 1864. Um 1900 hatte die Gemeinschaft noch 54
Teilhaber“.
Anteile am Waldeigentum kann nur haben, wer in Kappeln ein
Haus besitzt. Der Vorsitzende, „Kuppenschütz“
genannt, ordnet die Arbeiten im Wald an. Die Kappeler Erbruthen
bestehen aus 18 „Kuppen“, Waldstücken also. Der Kuppenschütz
beaufsichtigt auch die Waldarbeiten, wie Fällen und Schneiden von Bäumen,
Ausputzen der Schonungen oder Neupflanzungen. Jährlich fallen etwa 100 – 120 Festmeter
Scheitholz an, die durch das Los verteilt werden.
Alte Kappeler Bürger erinnern sich noch an die früheren Arbeitsabläufe:In den Wintermonaten ging es zum Holzmachen,
wobei jeweils die mittlere Kirchenglocke, die „Ruthenglocke“ genannt, zum gemeinsamen
Aufbruch rief. Im Mai wurde auch noch Loh gemacht, wobei die Rinde jüngerer
Eichen in vollem Saft abgeschält wurde. Nach anschließender Trocknung wurde die
Lohe noch bis in die 1920er Jahre an Gerber verkauft, die sie für die
Ledergewinnung nutzten.
Auch wurden damals noch alte Bräuche gepflegt, wie das „Huhwennele“ und das Schwören des Rutheneides.
Nach getaner Arbeit und dem Genuss von reichlich Apfelwein zogen die Ruthengenossen Abends, fröhliche Lieder singend, wieder
heim ins Dorf. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Zahl der Mitglieder der Erbruthengemeinschaft allerdings stark verringert.
Im Jahr 1964 erhielt die Gemeinde ein eigenes Wappen:
schräggeteilt unten die silberne Dorfkirche, das Wahrzeichen des Ortes im grünen
Feld und oben im goldenen Feld der rote Löwe der Wild- und Rheingrafen, der
alten Ortsherren.
Kappeln ist bis heute ein recht lebendiges Dorf geblieben mit
einem gut funktionierenden, rührigen Dorf- und Vereinsleben. Das bezeugen nicht
zuletzt die im alten Ortskern durchgeführten Bauernmärkte der jüngeren
Vergangenheit. Im Ortsportrait im Westrichkalender
von 2018 heißt es: „Um die schöne Lage des Dorfes zu besichtigen, wurde ein
Ortsrandweg mit ca. 2 – 3 Stunden Gehzeit angelegt. … Folgende Vereine gibt es
im Ort: Männergesangverein 1879 Kappeln, TuS Kappeln 1927 (mit Abteilungen
Fußball - SG Perlbachtal – und Schießen), Landfrauenverein, Freiwillige
Feuerwehr und Kulturverein. Durch das rege Vereinsleben finden viele
Veranstaltungen statt. Hervorzuheben sind die Kirmes im Juli, der Fastnachtsumzug,
die Ausstellung ‚Kunst in alten Mauern‘, das Landfrauenfest sowie der Dorfmarkt
als Fortsetzung des Europäischen Bauernmarktes des Landkreises, der in den
Jahren 2005/06 erfolgreich ausgerichtet wurde“ So kann das Dorf Kappeln, bei
all den Problemen, die der demographische Wandel verursacht, mit seinen Einwohnern
und seinen Gästen nun auch im Jahr 2019 ein stolzes Jubiläum feiern: die erste
Erwähnung des Dorfes vor 700 Jahren im Jahre des Herrn 1319. Damit kann die
stolze Tradition der Fest-Aktivitäten in dem liebenswerten Dorf im Perlebachtal um ein weiteres Kapitel bereichert werden. Vivat
Kappeln und seine Bürger!